38. ADFC-Mittagsgespräch: Radverkehrsförderung für alle!
Beim Fachgespräch des Fahrradclubs berichtete Prof. Dr. Henrike Rau von der LMU München von Erkenntnissen aus der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung.
Laut der Studie „Mobilität in Deutschland“ fährt in der Bundesrepublik beinahe jeder Zweite selten oder (fast) nie Fahrrad. Das liegt nicht daran, dass in den Haushalten keine Fahrräder vorhanden wären - nur 13,4 Prozent der Menschen besitzen kein Rad. Sehr viele Nicht-Radfahrende besitzen sogar mehr als ein Fahrrad, nutzen diese jedoch nicht.
Kernfragen der Mobilitätsforschung
Das wirft Fragen auf, denen Prof. Rau wissenschaftlich nachgegangen ist:
- Wer sind die Nicht-Radfahrenden und wie können sie fürs Radfahren begeistert werden?
- Welche Radfahrenden fühlen sich besonders unsicher und wechseln deshalb am ehesten zu anderen Verkehrsmitteln? Welche Gründe existieren für eine geringe subjektive Sicherheit?
- Wie können Radfahrkompetenzen und -bereitschaft bei verschiedenen Alters- und Zielgruppen gestärkt werden? Welche Angebote gibt es schon? Welche könnte es geben?
Nicht-Radfahrende und Sicherheitsempfinden
Besonders zwei ihrer Forschungsprojekte beschäftigen sich mit der großen Gruppe der Nicht-Radfahrenden sowie der objektiven und subjektiven Sicherheit beim Radfahren. Beide Projekte stellte die Referentin dem interessierten Publikum vor: „RadAktiv: Identifizierung, Typisierung und Aktivierung von Nicht-Radfahrenden“ und „SiRa – Sicherheit im Radverkehr“.
Typen von Nicht-Radfahrenden
Menschen, die nicht mit dem Rad fahren, lassen sich laut Forschung in drei Gruppen aufteilen. Den kleinsten Anteil bilden die Beinahe-Radfahrer:innen, bei denen mangelnde Erfahrung und Fähigkeiten verhindern, dass sie aufs Rad steigen. Die Rad-Skeptiker:innen sind die größte Gruppe unter den Nicht-Radfahrenden. Sie sehen das Wetter und die unzureichende Infrastruktur als Hinderungsgrund und finden Radfahren zwar praktisch, aber gefährlich. Beide Typen sind laut Referentin leicht oder zumindest möglicherweise motivierbar, das Rad zu nutzen. Rund ein Drittel der Menschen, die nicht radeln, gehören zu den Radverweigerern. Diese sind nur sehr schwer motivierbar, finden sie Radfahren doch unpraktisch, anstrengend und gefährlich. Weitere Gründe gegen die Fahrradnutzung sind körperliche Einschränkungen, mangelnde Fitness und sehr geringe Fahrfähigkeiten.
Unsichere Radfahrerinnen und Radfahrer
Wirft man einen Blick in die wissenschaftliche Literatur, wird klar: Fehlende subjektive Sicherheit gilt als Hauptgrund dafür, nicht mit dem Fahrrad zu fahren. Doch wieso fühlen sich manchen Menschen beim Radfahren unsicherer als andere? Prof. Rau lieferte Erklärungsansätze: Frauen fühlen sich durchschnittlich unsicherer und je älter eine Person ist, desto unsicherer fühlt sie sich auf dem Rad, was wiederum z.B. mit abnehmender Hör,- Seh- und Reaktionsfähigkeit zusammenhängt. Je häufiger im Familienumfeld Fahrrad gefahren und zum Radfahren motiviert wird, desto sicherer fühlen sich die befragten Personen. Dies geht häufig mit höherem Fahrkönnen einher.
Gewinnung von Nicht-Radfahrenden und Unterstützung von unsicheren Radler:innen
Am Ende ihres Vortrags ging Henrike Rau auf Maßnahmen ein, mit denen Nicht-Radfahrende zum Radfahren motiviert und unsichere Radlerinnen und Radler unterstützt werden könnten. Dazu gehören u.a. Bildungs-, Trainings- und Experimentierangebote für alle Altersgruppen und Kompetenzlevel. Fahrradkurse im geschützten Raum und die Integration von Radfahrthemen und -training in den Führerschein sind weitere Bausteine für mehr Radverkehr und ein höheres subjektives Sicherheitsempfinden. Ebenso Gefahren reduzierende Maßnahmen, wie z.B. Tempo 30, Schulstraßen, eine getrennte Führung von Rad- und Kfz-Verkehr, Lieferzonen, gläserne Bushaltestellen und die konsequente Ahndung von Radwegparken. Die Diversität von Menschen und Fahrrädern sollte bereits in der Radverkehrsplanung mitgedacht werden. Auch die Priorisierung des Radverkehrs in Kommunikation, Politik und auf der Straße und eine insgesamt bessere und sicherere Radinfrastruktur inklusive guter Abstellmöglichkeiten würden helfen, mehr Menschen aufs Rad zu bringen. Nicht zuletzt sollte das Image des Rades als zweckmäßiges Verkehrsmittel gestärkt und die Verfügbarkeit von Fahrrädern für alle Menschen gesteigert werden.
Über die Referentin
Prof. Dr. Henrike Rau hat in Deutschland und Irland Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaften studiert. Seit über zehn Jahren bietet sie inter- und transdisziplinäre Lehrveranstaltungen zu Nachhaltigkeitsthemen an und forscht zu aktuellen Themen wie der Mobilitätswende.