StVO-Novelle: Steckbrief Tempo 30 - ADFC Bayern

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Bayern e. V.

Städtische Verkehrsszene mit Fahrradinfrastruktur

Tempo-30-Zone © ADFC/Deckbar

StVO-Novelle: Steckbrief Tempo 30

Die neue StVO erleichtert Tempo 30 an Schulen, Kitas und Krankenhäusern – auch auf Bundesstraßen. Neu sind Tempo-30-Zonen an Spielplätzen und Zebrastreifen. Zwischen bestehenden Tempo-30-Strecken können jetzt Lücken bis 500 Meter geschlossen werden.

Die StVO hätte durch das geänderte Straßenverkehrsgesetz – gestützt auf die neuen Ziele – zusätzliche Befugnisse für die Anordnung von Tempo 30 innerorts aufnehmen können. Doch der Gesetzgeber kam dem Wunsch von mehr als 1.000 Kommunen nicht nach. 

Er hat Tempo 30 jetzt nur an mehr einzelnen Stellen zugelassen: „auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) oder auf weiteren Vorfahrtstraßen im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Fußgängerüberwegen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Spielplätzen, hochfrequentierten Schulwegen, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen oder Krankenhäusern“. Die neuen Regelungen im Ausnahmenkatalog des § 45 Abs. 9 StVO sind unterstrichen.

Hier ist Tempo 30 die Regel

An den sensiblen Einrichtungen entfällt für die Anordnung von Tempo 30 der Nachweis einer besonderen örtlichen Gefahrenlage. Die geltende Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 274 StVO macht das Tempolimit dort zur Regel: „Innerhalb geschlossener Ortschaften ist die Geschwindigkeit im unmittelbaren Bereich von an Straßen gelegenen Kindergärten, -tagesstätten, -krippen, -horten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen für geistig oder körperlich behinderte Menschen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern in der Regel auf Tempo 30 km/h zu beschränken, soweit die Einrichtungen über einen direkten Zugang zur Straße verfügen oder im Nahbereich der Einrichtungen starker Ziel- und Quellverkehr mit all seinen kritischen Begleiterscheinungen (z. B. Bring- und Abholverkehr mit vielfachem Ein- und Aussteigen, erhöhter Parkraumsuchverkehr, häufige Fahrbahnquerungen durch Fußgänger, Pulkbildung von Radfahrern und Fußgängern) vorhanden ist. Dies gilt insbesondere auch auf klassifizierten Straßen (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) sowie auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306).“

Was sind hochfrequentierte Schulwege?

Für die neu aufgenommenen Fußgängerüberwege (Zebrastreifen) und Spielplätze sind keine Auslegungsprobleme zu erwarten, wenn sie als Begründung für Tempo 30 dienen sollen. Weniger klar ist, welche Schulwege als „hochfrequentiert“ einzustufen sind. Es ist jedenfalls nicht nur der unmittelbare Bereich der Schule gemeint – er war schon vor der Änderung enthalten.

Ein Indiz kann sein, dass die Route in einem Schulwegplan der Kommune oder einer Schule enthalten ist. Andererseits ist ein solcher amtliche Schulweg- oder Schulradwegplan nicht zwingend notwendig, um den unbestimmten Rechtsbegriff „hochfrequentiert“ auszufüllen.

Die kommende neue Verwaltungsvorschrift zur StVO wird ihn sicherlich erläutern und berücksichtigen, dass Schulwege keine punktuellen Einrichtungen sind. Tempo 30 muss deshalb auch im Verlauf hochfrequentierter Schulwege angeordnet werden und nicht an Stellen, an denen sie Hauptstraßen queren.

§ 45 Abs. 9 lässt nun zu, „kurze Streckenabschnitte (bis zu 500 Meter) zwischen zwei Tempo 30-Strecken“ zu einer Strecke mit Tempo 30 zu verbinden. Der Lückenschluss war bisher nur in der VwV zu Zeichen 274 StVO geregelt und auf 300 m begrenzt. 

Lässt sich Tempo 30 durchgehend anordnen?

Maßgeblich ist nach dem Gesetzestext der Abstand zwischen den Tempo 30-Strecken, nicht zwischen den geschützten Einrichtungen. Die Entfernung zwischen ihnen kann – wenn man jeweils die Hälfte von 300 m als „unmittelbaren Bereich“ anwendet – bis zu 800 m betragen. 

Kann man nun Zebrastreifen oder Spielplätze im Abstand von bis zu 800 m an Hauptstraßen anlegen, um durchgehend Tempo 30 zu ermöglichen? Das Konzept würde ohne Nachweis zumindest einer einfachen Gefahrenlage nicht der klassisch verstandenen Verkehrssicherheit dienen. Es wäre auch zweifelhaft, ob sich eine solche Maßnahme für Tempo 30 auf einer Hauptstraße ohne eine übergeordnete Planung mit der „Unterstützung der geordneten städtebaulichen Entwicklung“ begründen ließe. Das Ziel, die weiter bestehende Einschränkungen für Tempo 30 auf Hauptstraßen zu umgehen, wäre offensichtlich und kann die Anordnung rechtswidrig und angreifbar machen.

Tempo 30 auf Bundesstraßen?

Tempo 30 an geschützten Einrichtungen ist auch auf Bundesstraßen nicht von vornherein ausgeschlossen. Die StVO benennt ausdrücklich „Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen)“. Die VwV zu § 45 StVO verlangt dann von der Straßenverkehrsbehörde, die Straßenbaubehörde und die Polizei anzuhören. Für Bundesstraßen ist die ausdrückliche Zustimmung der vorgesetzten Behörde erforderlich. 

Wird die oberste Straßenverkehrsbehörde des Landes zustimmen? Wenn es um die Verbindung von zwei Tempo 30- Stellen geht, hat sie offensichtlich den früheren Anordnungen zugestimmt. Auch die Straßenverkehrsbehörde ist an die StVO und an VwV zu Zeichen 274 gebunden. Hier wird Tempo 30 an sensiblen Einrichtungen zur Regel erklärt. 

Es bleibt die Frage, wie Tempo 30-Strecken mit und ohne Zeitbeschränkung verbunden werden können. Eine Zusammenlegung mit beschränkten Geltungszeiten, weil eine der beiden Einrichtungen feste Öffnungszeiten hat, wäre für die Sicherung der anderen unzureichend.

Hamburg hat eine eigene Richtlinie

Mit einer einheitlichen Tempo 30-Anordnung, die an allen Wochentagen rund um die Uhr gilt, lässt sich das Ziel von mehr Verkehrssicherheit für besonders verletzbare Menschen wirksamer erreichen. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat diese Möglichkeit bereits mit einer eigenen Richtlinie geschaffen:

„Sofern nach Ziff. III, 2 Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Gründen der Verstetigung verlängert, zusammengelegt werden oder sich unmittelbar anschließen, ist für die gesamte Strecke zu prüfen, ob einheitlich die zeitliche Beschränkung der Einrichtungsart gewählt werden kann, die den höchsten Schutz berücksichtigt bzw. auf eine zeitliche Beschränkung verzichtet werden kann, wenn Streckenteile der verlängerten, zusammengelegten oder sich unmittelbar anschließenden Abschnitte ohne Beschränkung anzuordnen sind.“ (Hamburger Richtlinien für die Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen – HRVV, Abschnitt III 3. Absatz)

Der ADFC empfiehlt den Straßenverkehrsbehörden der anderen Bundesländer die inhaltliche Anwendung dieser Richtlinie.

Zum StVO-Dossier 2024

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